SAN

three hulls, two people, one trip around the world…

Man-O-War

Man-O-War heißt die Insel, vor der wir bis vor Kurzem lagen. Das ist der englische Name für die Portugiesische Galeere, eine Quallenart, die zu den Staatsquallen gehört (viele kleine Lebewesen, die zusammen unter einem Schirm treiben) und sehr giftige Tentakel hat. Denen im Wasser zu begegnen, stelle ich mir unangenehmer vor als einem tiefenentspannten Hai 😉

Aber der Reihe nach: Einige Tage verbrachten wir noch im Ankerfeld vor dem Schweinchenstrand von Big Major Spot. Dort lagen so um die 30 Yachten. Da gab es schon manchmal statt Hafenkinos “Ankerplatzkino”. Einmal berobachteten wir eine große Motoryacht hinter uns beim Umankern. Sie versuchten immer wieder, ihre Kette von Bord aus mit einem Haken zu erwischen, um wohl eine Art Ankerstropp anzulegen. Sonst gab es nicht viel zu tun. Das herrlich klare Wasser lud dazu ein, die Rümpfe zu säubern. Sie wachsen hier nicht so schnell zu wie im Pazifik. Wäre also eine Leichtigkeit, gäbe es nicht ortsansässige Haie. Mathias traute sich deshalb nicht ins Wasser. Ich fand den einen Hai, der meist nur vorbeischwamm, recht tiefenentspannt. Er glitt in eleganten Schwimmbewegungen unter unserem Boot durch. Es war ein Nurse Shark, der “Mensch” nicht auf seiner Speisekarte hat und somit harmlos ist, solange man ihn nicht ärgert. Es dauerte also etwas mit den Rümpfen, weil ich alleine putzte.

Dass wir an einem touristischen Spot lagen, merkten wir daran, dass ab und an ein Wasserflugzeug direkt neben uns landete:

Mathias entwickelte derweil ein neues Hobby: Er beschloss zusammen mit unserer Tochter, einen 3D-Drucker zu kaufen. Kaum war das Modell ausgesucht und bestellt (hat noch Lieferzeit), begann Mathias ein Designprogramm zu erlernen und entwickelte damit Vorlagen für diverse Ersatzteile für uns:

Wir werden berichten, wie gut das funktioniert und ob man so einen Drucker vielleicht mit auf Weltumsegelung nehmen sollte (auch wenn man nur im Trocknem und ohne zu schaukeln drucken kann.)

Andere Arbeiten:
Mathias hat ein neues System für den Lazyjack ausgedacht und umgesetzt. Während der Fahrt können wir nun den Segelsack weiter runterlassen und weiter öffnen. Dadurch scheuert das Segel nicht mehr und drückt nicht gegen die Leinen. Das Segel kann auch vom Wind besser angeströmt werden.

Unsere Genua nähten wir während der Fahrt. Da war immer noch der UV-Schutz am Rand abgegangen und bisher nur mit Tape wieder befestigt worden. Die Fock hatten wir ja runtergenommen und mit der Nähmaschine bearbeitet. Aber weil das schon sehr aufwendig war und wir sie nur mit Lukas Hilfe wieder hochziehen konnten, wollten wir die weit größere Genua nicht runternehmen. An einem windstillen Tag unter Motorfahrt wurde die Genua mit der Ahle bearbeitet. Jetzt fehlen noch zwei aufgerissene Abnäher am Großsegel.

Gesegelt sind wir in mehreren Etappen bis Man-O-War Island in den Abacos, Bahamas.

Erst ging es bis New Providence, wo wir ein Starkwindgebiet abwettern wollten. Dort hatten wir zwei Regen- und Windtage. Der Ankerplatz bot keinen guten Schutz vor den Wellen und wir wurden zeitweise ordentlich durchgeschaukelt.

Sobald es ging, fuhren wir auf die andere Seite der Insel und hatten endlich wieder eine ruhigere Nacht. Es folgte eine längere Tagestour mit gemütlichem Segeln und sogar mal wieder Gelegenheit, den Spi herauszuholen. Genau mit dem Sonnenuntergang am ausgewählten Ankerplatz. Es lief gut. Nur noch zwei kleine Touren bis in die Gegend von Marsh Harbour bei gemäßigten Windverhältnissen. Wie soll man da Spannung für die Geschichten im Blog aufbauen?

So: Von hinten rollte eine Gewitterfront auf uns zu. Wir begannen mit der Flucht vor ihr und fuhren mit Motorunterstützung schnell weg. Klappte ganz gut, gerade lehnten wir uns erfreut zurück, da kam eine zweite Wolke und brachte weitere Blitze und Donner. Erst schien sich der Abstand zum Glück zu vergrößern, dann gab es einen Blitz und unmittelbar darauf den Donner, das verhieß nichts Gutes. Dem folgten noch ein paar dichte Blitze. Unsere Elektronik hatte sich weitestgehend verabschiedet. Mathias steuerte per Hand, der Autopilot war ausgefallen und die Windanzeige, sowie die Position des Bootes auf der Karte. Wie jetzt weitermachen? Per Sichtnavigation zwischen den Riffen durch? Halt, wir haben doch noch ein Backup zum Backup: Wir hatten die Karten auch auf das iPad geladen, welches einen eigenen GPS-Signal-Empfänger hat. Mathias nahm also das iPad und ich wurde zu seinem neuen Autopiloten. Er sagte den Kurs an, den ich dann nach dem normalen magnetischen Kompass steuerte. Das System brachte uns recht gut hinter die Riffe und auf einen Ankerplatz, wo wir Bestandsaufnahme machen konnten. Für längere Fahrten ist das System natürlich ungünstig, ich würde nicht 24 Stunden ohne Pause steuern können und außerdem rede ich auch noch, im Gegensatz zu einem elektronischen Autopiloten 😉

Die Bestandsaufnahme, Fehlersuche und Ersatzsystemaktivierung dauerte so zwei Tage lang. Der Autopilot blieb kaputt, also mal wieder gut, dass wir noch den zweiten haben. Der erste war erst Weihnachten erneuert worden, nachdem er beim Blitzschlag in Shelter Bay ausgefallen war.

Hier Mathias WhatsApp Bericht an die Familie von der Fehlersuche:

Es sieht inzwischen schon viel besser aus:

  • Habe den Actisense NGT-1 NMEA2000 Netzwerk Analyser auf meinem alten PC zum Laufen bekommen, um damit auf dem NMEA Bus rumzuschnüffeln. Aber letztendlich haben die beiden B&G Triton Displays auch den Zweck erfüllt.
  • Im ersten Schritt hatte ich den kleinen NMEA Bus für den 2. Autopiloten mit dem NGT-1 angeschaut, um einen Eindruck zu bekommen, was ich bei einem gesunden NMEA Bus erwarten sollte.
  • Habe die beiden Triton Displays (also Navtisch und Steuerstand) temporär in den kleinen NMEA Bus getan, um zu schauen, ob die noch funktionieren. Sind beide noch gut.
  • Dann beide wieder in den großen Bus und alle Geräte vom Bus abgeklemmt, bis die beiden Tritons sich wieder sehen konnten. Die Strategie war hier, herauszufinden welche Geräte den NMEA Bus tot machen.
  • Dann sukzessive wieder Geräte an den Bus gehängt. Bisheriger Stand ist, dass der erste Autopilot tot ist und den Bus lahmlegt. Genauso AIS, dann ein Konverter im Navtisch, von dem ich noch nicht weiß, was er tut, und ein Gerät in der Nähe des Mastfußes, wo ich das Kabel noch nicht bis zum Gerät zurück verfolgt habe. Wenn diese alle abgeklemmt sind, habe ich wieder Tiefenmesser, Heading, und Position. Allerdings sieht das VHF Radio die Position nicht. Ich denke also, dass dessen NMEA Port auch tot ist, aber das Netzwerk nicht kaputt macht. Als Radio funktioniert es aber.
  • Wind funktioniert noch nicht, aber das werde ich wohl morgen hinbekommen. Ich habe Ersatz sowohl für das Interface zum Bus, als auch den Sensor oben dabei. Die beiden habe ich mal probeweise eben an den Bus direkt im Navtisch gehängt und dann konnte ich auch wieder Wind sehen. Ich muss also morgen nur schauen, ob das Interface ersetzt werden muss, oder der Sensor oben im Mast. Letzteres wäre ärgerlich, da es hier recht schaukelt. Aber das Problem ist lösbar.
  • Ich habe mir für 128 Euro eine neue Navionics Karte für Europa auf eine alte SD Karte runtergeladen. Die wollte ich eh updaten, da nun 4 Jahre vergangen sind. Zusammen mit meiner alten Europakarte kann ich also beide Plotter mit jeweils einer lokalen SD Karte bestücken und habe dort Karten, brauche also den Ethernet backbone nicht, der vielleicht auch nicht mehr funktioniert. Für die Karibik schenke ich mir diese Duplizierung. Dies ist die letzte Ankerbucht auf den Bahamas, und da reicht es, wenn nur der Plotter am Steuerstand die Karte hat. Wichtig war, dass der Tiefenmesser wieder funktioniert. Ab den Azoren haben beide Plotter genaue Karten.
  • Da beide Kartenplotter den NMEA Bus nicht mehr sehen, sehen sie auch nicht mehr die gute GPS Antenne auf dem Bus. Aber man kann auf den im Plotter integrierten GPS Empfänger umschalten, und dann hat man auf dem Plotter wieder GPS Position. Nicht auf 2-3 Meter genau, aber gut genug, um hier zu manövrieren und nach Europa zurück zu kommen.

Damit ist also fast alles wieder hergestellt. Der 2. Autopilot sieht den Wind nicht und läßt sich daher nur im Heading Mode betreiben, aber das ist ok.

Wir werden dann ohne Radar und ohne AIS zurücksegeln, aber das hat früher ja auch funktioniert…

Das Segeln ohne AIS versuchen wir noch zu umgehen. Mal schauen, ob man hier in Marsh Harbour noch etwas besorgen kann.

Die Insel Man-O-War ist ein verschlafenes kleines Örtchen. Man hat den Eindruck über einen zu groß geratenen Campingplatz zu laufen. Das war wohl nicht immer so, denn es gab 2019 einen Hurrikan, von dem sich die Insel noch erholen muss. Bei Wikipedia wird der so beschrieben:

“Am 1. September 2019 traf Hurrikan Dorian nach 16:00 Uhr UTC auf Man-O-War Cay auf den Abaco-Inseln mit Windgeschwindigkeiten von 295 km/h (185 mph) und Windböen von bis zu 360 km/h (225 mph) auf Land. Damit ist Dorian zusammen mit dem Hurrikan vom Labor Day 1935 der stärkste Hurrikan, der jemals im Atlantik auf Land traf. Überall auf den Inseln wird von großen Schäden berichtet, die als “katastrophale Schäden” und “die pure Hölle” beschrieben wurden. In den Tagen nach dem Sturm berichtete CNN, dass 90 bis 100 % aller Gebäude auf Man-O-War Cay beschädigt wurden.”

Am ruhigen Ankerplatz wagt sich Mathias den Mast hinauf und tauscht den Windmesser aus. (Wir hatten einen in Ersatz.) Und wir machen uns endlich daran, beim Großsegel die oben erwähnten zwei Nähte zu nähen. Dafür muss einer von oben arbeiten und einer von unten den Faden durch die Schlaufen ziehen.

Unsere Mitsegler entwickeln sich gut. Einige von Ihnen mussten schon die Nursery verlassen:

Vorsicht: Einige Mitsegler enden in der Schüssel. 😉

Gefällt dir dieser Artikel? Teile Ihn mit deinen Freunden

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Helmut Meyer

    Hallo Ihr Zwei,

    Gewitter. man selbst, das Boot und elektronische Geräte an Bord ….
    Was ist Euer Resumee bzgl. eines Blitz-Schutzes, der die Risken minimiert UND bezahlbar ist?
    – Man möchte selbst am Leben bleiben
    – In keinem der drei Rümpfe sollte ein Loch hineingebrannt werden
    – Elektronische Geräte sollten nicht in Flammen aufgehen

    Also … wie Ihr “händisch” in Kooperation mittels IPAD @ der/des sprechenden Autopiloten/in durch die Riffdurchfahrt navigiert habt ….. geht wohl nur mit viiiel vorheriger Erfahrung.

    Eine ähnlich von einem Hurrikan getroffene Insel war Cay a L’eau südlich von Haiti – als Folge war auf der vor nahezu vollständig grün mit Büschen und Palmen bewachsenen kein Busch / kein Baum mehr übrig – man konnte über eine komplett platt gemachte Insel blicken. Die ca. 400 Bewohner waren rechtzeitig auf die benachbarte Insel Ile a Vache geflüchtet.

    Wünsche Euch weiterhin eine guuuuute Fahrt!
    So long@short
    Yours – Helmut

    1. trimaran-san

      Hallo Helmut,

      ja, es sind hier immer noch viele Schäden vom Hurrikan zu sehen, obwohl das nun schon einige Jahre her ist. Einige sind wohl danach auch weggezogen. Man sieht viele Fundamente ohne Häuser drauf…

      Wegen Blitzen – ich hatte ja schon meine plus/minus Leitungen etwas geschützt gehabt. Nun beschäftige ich mich mit dem NMEA Bus. Da habe ich nun mit Hilfe eines Freundes ein vielversprechendes gadget gefunden, welches ich einbauen werde, wenn wir wieder in Europa sind… Lieferschwierigkeiten…

      LG, Mathias

  2. Mario Stoltz

    Hallo Birte und Matthias,
    Der Goldstandard für Blitzschutz wären Komponenten von Huber+Suhner, aber ich fürchte, die kosten dann auch entsprechend.
    Lieben Gruß und weiter alles Gute,
    Mario

    1. trimaran-san

      Hallo Mario,

      Die allermeisten Anbieter für Blitzschutz haben nichts für den NMEA Bus im Programm, und das ist das, was ich brauche. Aber ich habe nun einen Anbieter gefunden für CAN Bus, was das Gleiche ist auf der physikalischen Ebene. Und CAN Bus kommt im Smart Home vor, dort ist also ein großer Markt, von dem ich profitieren kann…

      LG, Mathias

  3. Micheline

    Was ihr alles erlebt! Nicht alles gehört zu meiner To Do Liste. Doch um die abzuarbeiten müsste ich viel jünger sein.
    Toll, genießt und erlebt weiterhin!!!

    1. trimaran-san

      Was nicht tötet, härtet ab! 🙂

      LG, Mathias

  4. Reinhold

    Elektronik reparieren nach dem Feynmanprinzip: durch Nachdenken.
    So wird diese Atlantiküberquerung wenigstens spannend.
    Viel Glück

    1. trimaran-san

      Feynman, das ist vielleicht etwas hoch gegriffen, aber ja, Nachdenken hat hierbei geholfen. Und ich denke, ich weiss nun auch, wie ich das Ganze etwas robuster machen kann gegen die nächsten Blitzeinschläge dicht dran. 100% wird man nie erreichen, aber Verbesserungen sind noch drin…

      LG, Mathias

  5. Reinhold

    Ich habe den Eindruck, Birte war in einem früheren Leben ein Delphin, und Du, Mathias, eine Katze: wasserscheu, aber schwindelfrei. Kein Problem, auf dem hohen Schaukelmast etwas auszutauschen.

    1. trimaran-san

      Ein treffender Vergleich! 🙂

      Und ich muss schon wieder hoch in den Mast: Das Fall des Groß muss ich oben Einkürzen bevor wir über den Atlantik segeln.

      LG, Mathias

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.