Aus England wieder in die Heimat zurückgekehrt und ganz in der Nähe von Hamburg angesiedelt, fehlte nur noch eins: Der Wassersport.
Segeln war bei mir aus der Kindheit positiv belegt, Erinnerungen an Touren in einer Holzjolle mit dem Hund auf der Plattform im Bug, Ehrfurcht vor dem Können des Papas, der ganz alleine das Großsegel halten konnte, während mein Bruder und ich gemeinsam mit der Fock kämpften. (Damals hatte ich noch keine Ahnung von Flaschenzügen und Kraftübersetzungen.)
Einen kleinen Segelverein gab es in Hamburg-Harburg, der zwei Boote an der Alster in Hamburg liegen hatte. Ich beschloss also, einen Segelschein zu machen. Im Schulsport war ich nie gut, weshalb ich mich für unsportlich hielt, obwohl ich schon eine Menge gemacht habe: Radtouren, Schwimmen, Karate bis zum braunen Gürtel. Nach dem Motto „Wer mit Mitte 30 mit Karate anfängt, kann auch mit Mitte 40 beginnen zu segeln“ suchte ich nach einer ebenso „unsportlichen“ Mitstreiterin. Die fand ich in einer guten Freundin, die zudem noch total lustig ist. Nur, auch bei ihr stimmten meine Vorurteile nicht. Es stellte sich heraus, dass sie als Kind und Jugendliche schon viel mitgesegelt war und auch stets wusste, aus welcher Richtung der Wind wehte (ein Talent, dass mir nicht gegeben ist). Zum Glück war also in beiden Fällen die scheinbare Unsportlichkeit kein Hindernis und wir ergänzten uns prima. Wir gewannen einen segelerfahrenen Studenten aus dem Segelverein als Lehrer und hatten eine super-spaßige Zeit immer dienstagvormittags auf der Alster. An sonnigen Tagen ist das ein wunderschönes Segelrevier für kleine Boote. Die Alsterdampfer, Ruderboote und die Kulisse der umgebenden Stadt mit ihren Straßenzügen und schönen alten Villen lässt jedem echten Hanseaten das Herz höher schlagen.
Für uns waren die Stunden durchaus Segelsport. Aus dem dörflichen Süden fuhren wir in die große Stadt, Segelklamotten anziehen, Boot fertig machen, Fock anschlagen und dann auch noch die ganze Zeit konzentrieren, damit man sich nicht allzu schusselig anstellt.
Am Ende des Sommers schafften wir beide die Sportbootführerscheine Binnen und See.
Nun ging es darum, auch den Rest der Familie zu begeistern. Unsere drei Kinder steckten bereits in Optimistenkursen, aber die beiden Mädchen waren nicht allzu begeistert. Es kam ein Urlaub am Plöner See. Dort lagen TopCat Strandkatamarane, die Mathias mehr ansprachen als normale Segelboote. Er machte mit unserem Sohn zusammen einen Katamarankurs und fing an, sich ebenfalls für das Segeln zu interessieren.
Auf der Hanseboot lernten wir Stefan Sachau von der Segelschule Surf&Sail aus Sehlendorf an der Ostsee kennen. Er lud uns in die Hohwachter Bucht ein und wir verbrachten tatsächlich dort einen Sommer, in dem wir bei ihm Katamarane mieteten und unsere ersten gemeinsamen Segelerfahrungen sammelten. Schon im zweiten Jahr schafften wir uns einen eigenen TopCat K1 Katamaran an und kauften noch einen gebrauchten K3 dazu. Unser Sohn konnte zu der Zeit schon besser segeln als wir und tat dies mit großem Spaß. Leider äußerte sich seine gute Laune darin, non-stop Otto Waalkes zu zitieren, oder lauthals zu singen. Sein Gesangstalent ist nicht besonders ausgeprägt, wohingegen Mathias sehr musikalisch ist. Ein Dilemma, das sich nur durch einen genügend großen Abstand auf dem Wasser lösen lässt, deshalb das zweite Boot!
Während 4 weiterer Saisons an der Ostsee lernten wir das Segeln und tasteten uns an die Grenzen der Sicherheit heran. In der Anfangsphase waren dazu noch etliche Kenterungen nötig. Auch die Grenze, ab welcher Windstärke das Segeln mit einem Strandkat keinen Spaß mehr macht, lernten wir durch Ausprobieren. Immerhin stammen aus dieser Zeit ein paar nette Szenen, die ich für zwei Filme auf You Tube nutzen konnte. Oft fuhren wir auch zum Tourentreffen der TopCat Gemeinde nach Kroatien. Dort profitierten wir von exzellenten Tipps rund um Boot und Segeln von den anderen Teilnehmern, die oft viel erfahrener als wir waren.
Rund um den 50. Geburtstag keimte die Überlegung auf, dass man sich vielleicht nicht ewig in einen Neoprenanzug quetschen und ein nicht gerade leichtes Boot ins Wasser schieben und wieder heraus ziehen möchte. Aber auf eine Yacht umsteigen? Gemütlich dahin segeln? Keine verlockende Vorstellung. Mathias hat schon Spaß am schnellen segeln – also ein schnelles Boot mit „Creature’s Comfort“: Kombüse, Bett, Toilette.
Wieder auf der Hanseboot-Messe: Der Trimaran von Dragonfly tat es uns an! Was für ein schnittiges Teil! Und von innen ein echtes Boot mit allem Drum und Dran! Die Seitenschwimmer lassen sich einklappen. Alles solide gebaut.
Nach Erhalt der Preisliste mussten wir uns erst einmal setzen und in uns gehen. Zunächst beschlossen wir, das Charterangebot auszunutzen und uns erst nach der Woche Probe segeln zu entscheiden. Der Trimaran bestand seinen Test.
Ein Dragonfly 28 Sport Trimaran mit Carbonmast sollte es sein! Und rot sollte er sein!
Kommentar der Leute von Dragonfly: “Wir haben noch nie so viel rot für ein Boot verkauft.” Der Außenanstrich, die Sitzpolster, die Fockpersenning alles in meiner Lieblingsfarbe. Zusammen mit dem Teakholz für die Innenausstattung und dem Teakfußboden sieht das richtig schick aus.
Es folgten 5 Saisons segeln mit der „Red Pearl“, sowie einige Chartertörns zur Überbrückung der Wintersaison.
Irgendwann erschienen die Segelurlaube stets zu kurz, gleichzeitig stieg der Verdienst von Mathias angenehm an, allerdings auch sein Arbeitspensum. Das Segelhobby wurde als Ausgleich zu den verrückten Arbeitszeiten und Belastungen immer wichtiger. Wer von uns beiden zuerst die Idee vom Aussteigen und der Weltreise hatte, lässt sich nicht mehr ganz nachvollziehen, aber wir waren beide sehr schnell davon begeistert.
Anfangs wurden Bücher gewälzt. Erste Erkenntnis: Man sollte nicht ostwärts nach Australien segeln, sondern aufgrund der vorherrschenden Windrichtungen anders herum um die Welt segeln, also erst über den Atlantik. Aha.
Zweite Erkenntnis: Die „Red Pearl“ ist zu klein. Aha.
Aber wieder kam ein Wechseln auf eine Yacht nicht in Frage. Ein Katamaran? Hm, lieber ein größerer Trimaran. Zu diesem Stichwort war im Internet noch nicht viel zu finden, und es dauerte eine Weile, bis ich auf die Werft NEEL aus Frankreich stieß.
Die Trimarane von NEEL lassen sich zwar nicht falten, bieten aber sehr viel Platz zum Leben und segeln ähnlich schnell wie ein Performance-Katamaran.
Probieren geht über Studieren: Erstes Vorfühlen und Anschauen auf der „Salon International du Multicoque“-Messe in La Grande Motte in Frankreich, dann ein Charterurlaub über Weihnachten mit einer NEEL 45 vor Martinique.
Dieser Trimaran stellte sich als ein schönes Boot heraus, das den Kompromiss zwischen Platz und Komfort an Bord sowie schnelleren Segeleigenschaften zu unserer Zufriedenheit meisterte. Es gab nur noch zwei Mankos: Ich fand nicht den richtigen Stammplatz, von dem aus man Wind um die Nase erhielt und trotzdem nach vorne gucken konnte. Das ging nur vom Steuerstand aus. Die Schwimmerrümpfe waren zwar ausbaufähig, aber im warmen Klima waren es eher Tropfsteinhöhlen als Kajüten oder guter Lagerraum. Wie der Zufall es wollte, hielt die Werft dafür schon bald eine Lösung parat: Den ganzen neuen NEEL 51.
Wieder pilgerte ich nach La Grande Motte, diesmal mit unserem Sohn. Dort wurde neben dem NEEL 45 auch die Nr.1 des NEEL 51 vorgestellt. In dieses Boot verliebten wir uns auf Anhieb! Das Platzangebot ist atemberaubend. Die Küche ist schöner als in den Studentenwohnungen unserer Kinder, die Schwimmerrümpfe lassen sich vom Mittelrumpf her begehen und können zu Gästekabinen mit Ensuite-Bad ausgebaut werden, im Mittelrumpf-Maschinenkeller hat man Stehhöhe (auch für unseren Sohn mit seinen 1,95m). Und vollkommen unsachlich, aber ausschlaggebend: Für den Stammplatz mit der Nase im Wind und nach vorne schauend gibt es eine ganze Couch oben vor dem Mast und neben dem Steuerstand!
Nach diesem Termin ging alles sehr schnell.
Schon auf der Messe erhielt NEEL die ersten 8 Reservierungen für den NEEL 51 Trimaran. Bis wir Mathias berichtet hatten und er sich entscheiden konnte, waren die Bestellungen bei Rumpf Nr. 14 angelangt. Diese Nummer reservierten wir uns.
Bevor aber der Vertrag unterschrieben werden musste, fuhren wir noch nach La Rochelle zum Probe segeln.
Unsere NEEL 51 sollte im Mai 2019 fertig sein.
Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
Am Ende ward Ihr dann doch seh entscheidungsfreudig…
Schön zu lesen, wie aus einem Hobby eine Passion wird. Mögen Eich stets gute Winde begleiten.