Die Strecke von Brest nach Cherbourg brachte unsere 2. Nachtfahrt, diesmal nur zu dritt. Der Wind war zunächst moderat, in der Nacht wieder mehr (ca. 5 Bft.). Die aufregendsten Begebenheiten waren ein Fischerboot ohne AIS, das Mathias aber rechtzeitig an den Lichtern erkannte und ein Segler auf Gegenkurs. Da konnten wir die theoretischen Kenntnisse der Lichtererkennung in der Praxis testen. Ich lernte, dass das AIS-Symbol mit der Spitze des Dreiecks nicht exakt in die Fahrtrichtung des Bootes zeigt. Die Positionslichter sind schon aussagekräftiger. Jedenfalls waren wir froh, als wir endlich das rote Licht des anderen an Backbord sahen. Man muss dazu erwähnen, dass unser Radar in den ersten Tagen nicht funktionierte. Der Fehler ließ sich erst durch ein Software-Update und die richtige Einschaltreihenfolge der Geräte beheben.
In Cherbourg warteten wir einen Tag, weil jemand an Bord kommen sollte, um sich anzuschauen, weshalb Wasser in den mittleren Rumpf läuft. Er war für 9 Uhr angekündigt, verschob den Termin ein paar Mal und tauchte letztendlich gar nicht auf. Inzwischen hatten Wolfgang und Mathias schon eine eigene Idee, kauften ein Rückschlagventil und Schlauchstücke und bauten es in die Leitung der Bilgepumpe ein.
Das löste das Problem.
Am folgenden Tag liefen wir aus, weil eine Tieffront in den nächsten Tagen anrollen sollte. Vor dieser Front wollten wir noch ein Stück weiter kommen. Mehrere Wetter-Apps und die Navtex-Vorhersage gaben uns noch einen Tag Zeit, bevor es zu ungemütlich sein würde.
Der Tag brachte Wind und ein paar Diskussionen über die maximale Schräglage, die noch als angenehm empfunden wird, einige Reffmanöver, Genua rein, Genua raus. Übung macht den Meister! Bei der Größe der Segel läuft alles mithilfe der Winschen, per Hand ziehen ist nicht mehr.
Nachmittags zogen die ersten unschönen einzeln reisenden Gewitterwolken auf. Die erste holte uns von hinten ein, als wir ein Reff + Fock fuhren. Eine starke Böe in dieser Wolke war schon beängstigend. Mathias behielt wie immer die Ruhe und erzählte mir erst hinterher, dass der Windmesser kurzfristig auf 50 kn hochgeschnellt war.
Es folgte wieder ein Abschnitt ruhiges Segeln. Bei der zweiten Wolke waren wir vorgewarnt und banden das zweite Reff ins Großsegel. Diesmal war es nicht ganz so arg. Zitat: „Sind ja bloß 30 kn Wind.“ Die dritte Wolke brachte nochmal eine Böe bis 52 kn, aber wir hatten 2 Reffs im Groß und die Fock weggenommen. Im Innenraum merkte man gar nicht mehr, dass es so kritisch wurde.
Danach hatten wir bis zum Hafen von Le Havre unsere Ruhe. Nur beim Anlegemanöver prasselte ordentlich Regen herunter. Fazit: 2 Leute wurden bis auf die Haut durchnässt, Mathias hatte eine nasse Socke. Er stand am Ruder. 🙂
In Le Havre blieben wir 3 Tage und ließen die Tieffront durchziehen. Weil der Wind uns an den Steg drückte, hätten wir auch gar nicht ablegen können.
Ein bischen Sturm kann die französischen Segelschulen nicht vom Training abhalten. Diese Truppe kehrte dann aber doch um und blieb im Hafenbecken.
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Munteres Putzen war angesagt. Am Sonntag kam ein neuer Gast an Bord.
Noch ein kleiner Nachtrag übers Funken:
Nachdem wir gerade frisch LRC-Funkschein Kurs und Prüfung hinter uns hatten, kam schon bald der erste Einsatz. Zunächst allerdings konnten wir mit unserem frisch Gelernten gar nichts anfangen, denn in Frankreich lief der gesamte Funkverkehr auf Kanal 16 auf Französisch ab. Man erahnte gerade so, worum es ging. Ein Kanalwechsel aber war nicht zu verstehen und Details der Securite Meldungen ebenfalls nicht. Erst in der Nähe der Kanalinseln ergaben die Meldungen auf Kanal 16 wieder einen Sinn – in schönem britischen Englisch! Nicht dass die Franzosen nicht auch anders können. Wir wurden auf der Fahrt nach Le Havre von einem Leutturm angefunkt. Ich schlug mich wacker am Funkgerät (Danke an Funklehrerin Martina) und beantwortete die Fragen nach Personenanzahl, Tiefgang und Route, während Mathias und Wolfgang sich am Steuerstand wunderten, wieso da eine deutsche Frauenstimme aus dem Handset der Funkanlage schallte und weshalb sie trotz Kanalwechsels noch mithören konnten. Mit den Windgeräuschen oben am Steuerstand hatten sie nicht bemerkt , dass wir es waren, die angefunkt wurden.