Mit den Passatwinden über den Atlantik zu segeln, soll lange Strecken platt vor dem Wind bedeuten. (Wind kommt direkt von hinten). Viele Yachten setzen dafür zwei Vorsegel so, dass eins backbord und eins steuerbord steht, solche Segel heißen Passatsegel. Andere setzen das Vorsegel zur einen und das Großsegel zur anderen Seite, sie fahren dann “butterfly”. Eine schöne Alternative sind die Parasailor-Segel. Sie können direkt vor dem Boot stehen und man kann in Windrichtung segeln, muss also nicht kreuzen, wenn das Ziel in Richtung des Windes liegt. Auf solchen Kursen ist der scheinbare Wind sehr gering, d.h. es bläst auf dem Boot nicht so sehr. Die Parasailor-Segel unterscheiden sich von Spinnakern dadurch, dass sie ein „Loch“ haben. Hinter dem Loch befindet sich ein Flügel. Dadurch steht das Segel stabiler und fällt nicht so schnell ein. Auch das gesamte Schiff läuft ruhiger, da es von dem Parasailor gezogen und nicht vom Großsegel geschoben wird. Das Großsegel kann man verstaut lassen, was Halsen (Kursänderung) vor dem Wind deutlich einfacher macht. Wir waren schon recht gespannt, wie alles klappen würde.
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Aus terminlichen Gründen sollte die Einführung in die Handhabung des Parasailors an Himmelfahrt stattfinden. Das Wetter war nicht ideal, aber immerhin war nicht zu wenig Wind. Für meinen Geschmack waren etwas zu viele Leute zum Mitsegeln an Bord, aber das Schiff ist ja groß, es klappte dann doch ganz gut. Thomas Wibberenz (PROYACHT) war dabei, um uns die Handhabung der Parasailor zu zeigen, bei ihm hatten wir die Segel gekauft. Ein weiterer Mitsegler kam von Radio Bremen und überrumpelte uns damit, dass er eine Reportage über den deutschen Neel-Händler auf unserem Boot drehen wolle. Damit hatte ich quasi die Konkurrenz an Bord. Am Ende erlaubten wir Außenaufnahmen und als er von Land aus filmen wollte, gingen zwei Mann an Land und so bekam ich auch meine eigenen Filmaufnahmen. (Bald zu sehen im nächsten SAN-Film 🙂 )
An Himmelfahrt haben die Brücken vor/hinter der Seeschleuse reduzierte Öffnungszeiten, wir mussten um 8 Uhr ablegen und um 15 Uhr wieder in der Schleuse sein. Das ließ nicht viel Zeit. Weiter draußen sollte zudem zu viel, vor allem aber recht böiger Wind sein, deshalb blieben wir vor Wilhelmshaven, segelten ein Stück mit dem Parasailor und motorten dann zurück. Der Rückweg erschien endlos, weil wir mit dem Segel gut in Fahrt gekommen waren und man gar nicht bemerkte, wie viel Strecke wir zurücklegten. Einmal hoch und runter war natürlich nicht genug. Wir setzten die zwei Filmer ab und fuhren noch ein Stück weiter, um dann vor dem Wind wieder auf die Kameras zusegeln zu können. Wieder wurde uns gezeigt, worauf wir achten müssen beim Setzen des Parasailors und diesmal habe ich den Segelschlauch mit hochgezogen – gar nicht so einfach, man braucht schon Kraft dazu. Der Kurs passte, es waren nicht so viele Hindernisse im Weg und das Segel mit seinen 232 m2 stand 1A, wir brachten es auf eine Geschwindigkeit von 12,3 kn bei gut 22kn Wind.
Alles in allem ein gelungener Segeltag. Wie wir zu zweit mit den riesigen Segeln zurecht kommen werden, bleibt noch abzuwarten. Aber wir wissen nun, worauf man achten muss.
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Und das passierte in der Zeit ohne Segeln:
Im Haus wachte Mathias mitten in der Nacht auf. Aufgeregt sagte er: „Es ist dunkel und keiner geht Wache! Wir sind hier einfach eingepennt!“ – Schrecksekunde – Dann: „Ach nein, wir liegen ja vor Anker, alles gut!“ Und legte sich wieder Schlafen… Ein Fehler, der leicht passieren kann. Die Frage: „zuhause, ist das Boot oder Haus?“ wird immer öfter gestellt. Die Verlegung rückt näher, wir sind nun dabei, auch Möbel zu verkaufen. Ein komisches Gefühl bleibt es, bald auszuziehen.
Besonders wenn der Garten im Frühjahr anfängt zu blühen und der Rasen dank Roboterarbeit wieder (fast) englisch aussieht, fragt man sich schon mal: „Warum wollte ich nur noch segeln?“ Umgekehrt, als wir auf der SAN waren und die Fahrt von Wilhelmshaven bevorstand, wollte ich das Schiff nicht verlassen. Garten und Boot – das geht nicht gleichzeitig. Drum bleiben wir beim ursprünglichen Plan und freuen uns auf die Reise.
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Auf Wunsch eines einzelnen Abonnenten sollte ich mehr Anekdoten erzählen. Erst dachte ich: „Man muss ja erst einmal etwas erleben, um dem Wunsch nachzukommen“, aber dann trudelte per E-Mail schon das nächste Material ein:
Never ending story – Deutsche Bürokratie
Ein Schiff zu registrieren kann laut Aussage der französischen Werft schon mal 2-3 Tage dauern. Nicht so in Deutschland – da muss man mit 4-6 Wochen rechnen! Aber selbst die sind längst vergangen. Nun stellte sich heraus, dass der Antrag leider untergegangen war. Verständlich – in Hamburg gibt es ja viel Wasser. 😉 Die Dame der Geschäftsstelle entschuldigte sich und schickte endlich die Papiere ab. Nur: die waren falsch! Unsere schöne Segelyacht war als Motoryacht registriert worden! Ganzes Kommando zurück. Hoffentlich dauert die Korrektur nicht wieder genau so lange. (Mittlerweile warten wir schon wieder 14 Tage.) Und erst wenn wir diese Papiere haben, können wir unsere MMSI für die Funkgeräte beantragen – dies ist so eine Art internationale Identifikationsnummer, die im Notfall hilfreich ist. Am Ende werden uns die langsam arbeitenden Behörden in der Südsee im Vergleich noch blitzschnell erscheinen…
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Ich wünsche Euch gute Fahrt – werde den Blog weiter verfolgen. Ich hoffe doch, ihr lasst den Mähroboter nur tagsüber mähen, nachts sind u.U. Igel unterwegs und für die endet die Begegnung oft mit schweren Verletzungen. Grüße aus Hemmingen
Wolfgang Fabisiak – NDR Sender Hannover
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