Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön….
Wie in dem Lied hat unsere Überfahrt auch zwei Seiten. Fährt man von Ost nach West über den Atlantik, so geschieht das meist zu einer Zeit, zu der die Passatwinde recht stabile Windverhältnisse bieten. das bedeutet Wind von achtern und eine relativ ruhige Bootslage. In der anderen Richtung, von West nach Ost, gibt es solche Bedingungen nicht. Um die vorherrschenden Winde in die richtige Richtung zu erwischen, muss man nördlich über den Nordatlantik fahren. Dabei soll der Mai der günstigste Monat sein, bevor ein Azorenhoch Windstille erzeugt. Aber es gibt keine konstante Wetterlage. Das Wetter wird von Tiefdruckgebieten dominiert, die um diese Jahreszeit weiter im Norden bleiben. An deren Rändern bekommt ein Segelboot seitlichen Wind. Es gilt nun, nicht zu dicht an die Tiefdruckgebiete mit sehr viel Wind zu geraten, aber schon so weit nördlich zu fahren, dass man noch genügend Wind abbekommt und auch noch die Azoren erreichen kann. Mathias holt alle 12 Stunden Wetter-Updates und danach schauen wir, welches der günstigste Kurs für uns ist. Seitlicher Wind bedeutet einerseits Geschwindigkeit, andererseits aber auch Krängung. Die ist zwar bei einem Trimaran gering, aber gerade in der Welle durchaus zu merken. Es ist dann ratsam, die Devise “eine Hand fürs Boot” zu befolgen und sich immer irgendwo festzuhalten bzw. abzustützen.
Das Kochen wird zu einer sportlichen Übung. Der Herd ist nicht kardanisch aufgehängt, in der Welle kann der Topf von der Platte rutschen. Deshalb gibt es Metallhaken, mit denen man einen Topf festschnallen kann. Ich habe eine meiner Induktionsplatten auf den Gasherd gestellt und kann dort einen Topf befestigen. Es ist erstaunlich, wie gut es funktioniert, die einzelnen Speisen nacheinander zu kochen, oder Ofen und Mikrowelle mit einzusetzen. Ich versuche bei etwas ruhigerem Wetter genügend zu kochen, um Reste zu behalten, die bei stärkerem Seegang eingesetzt werden können. Leider klappt es bei mir selten, schon vor der Fahrt etwas vorzukochen (ich war noch nie eine gute Hausfrau).
Unsere Abfahrt von Bermuda führte uns zunächst durch ein stürmisches Gebiet, das aber nicht von langer Dauer sein sollte. Hätten wir noch länger gewartet, hätte es Schwierigkeiten mit einem weiteren Tief gegeben, das weit unangenehmer werden sollte. Den ersten Tag fuhren wir also mit drei Reffs und der Fock. Die Ausfahrt aus der Lagune war entsprechend schaukelig und gegen ordentlich Dünung. Aber schon am späten Nachmittag konnten die Reffs bis auf eines raus und es ging ruhiger voran.
Am zweiten Tag auf See riss die hintere Leine des 1. Reffs. Jetzt wurde die Entscheidung schwieriger, ab wann wir reffen sollten. Mathias ist da nicht so schnell bei der Sache. Wir fuhren also lange mit vollen Segeln, auch noch bei bis zu 20 Knoten Wind. Das brachte ordentlich Geschwindigkeit, ist aber eine Belastung für meine Nerven. Auch das Schlafen ist dabei schwierig, da die Windgeräusche laut sind und öfters eine Welle gegen den Rumpf knallt.
Am dritten Tag sollte für meine Nachtschicht gerefft werden und die Genua durch die Fock ersetzt werden. Bei zwei Reffs ist das bei “Am Wind”-Kursen sinnvoll, weil dann die Proportionen des Haupt- und Vorsegels besser zusammenpassen. Es kostet rund zwei Knoten Geschwindigkeitsverlust, schont aber meine Nerven, wodurch der Skipper auch besser schlafen kann. Gerade hatten wir die Reffleinen alle festgezogen und wollten auf die Fock wechseln, da machte es “knacks — bumms”. Etwas war auf das Deck gefallen. Mathias findet solche Teile immer recht schnell: Es war ein komischer Metallhaken mit einem Bolzen. Hmm. Erstmal um die Segel kümmern, die Genua flatterte. Schnell merkte ich, dass dichtholen nichts nützen würde, weil das Vorliek* locker war. Wir rollten das Segel schnell ein und setzten die Fock. (Muss nur ausgerollt werden.) Nun dämmerte uns, was das Metallteil war: der Schäkel der Genua, mit dem sie am Fall befestigt wird. Dieser war nicht sofort erkennbar, weil er komplett aufgebogen war. Der Bolzen musste sich aus dem Schraubgewinde losgejuckelt haben, nachdem die Lagesicherung gerissen sein musste, und der Metallbügel des Schäkels war dann unter Last verbogen. Das mussten wir erstmal sacken lassen. — Im Prinzip gab es zwei Möglichkeiten: ganz langsam mit gerefften Segeln und Fock zu den Azoren trödeln, oder auf See in den Mast steigen und eine Reparatur wagen. Weil das Ganze sich zwischen 23 Uhr und Mitternacht abspielte, konnten wir die Entscheidung erstmal vertagen.
{*Für Nicht-Segler: das Vorliek ist die vordere Kante des Genuasegels, an der dieses hochgezogen wird.}
Der vierte Tag bescherte ordentlich Wind und wir kamen trotz der geringen Segelfläche gut voran. Am Abend ließ der Wind nach und am fünften Tag wurde es noch ruhiger. Mathias entschloss sich, die Reparatur zu versuchen. Weil Mathias zur Vorderseite des Mastes musste und weil wir das Segel nicht runternehmen wollten, konnte der Bootsstuhl nicht am Großfall befestigt werden. Wir haben ein Liftsystem, bei dem eine Seiltrommel hochgezogen wird, an der eine Endlosleine befestigt ist. Damit könnte man sich selbst hochziehen. Da es selbst bei ruhiger See noch wackelt, übernahm ich das Hochziehen und Mathias hielt sich mit beiden Händen am Mast fest. Zusätzlich hatten wir eine Führungsleine mit hochgezogen, um den Bootsstuhl nahe am Mast zu halten. Die Konstruktion aufzubauen, dauerte eine beachtliche Weile. Besonders schwierig war das Hochziehen der Trommel, die daran gehindert werden musste, gegen den Mast zu schlagen, oder die mitgeführten Leinen zu sehr umeinander zu verdrehen. Als alles angebracht war, wurde Mathias mit einem zweiten Fall gesichert und auf ging es. Das Ziehen erforderte schon Krafteinsatz. Für mich bedeutete es, den Oberkörper mit einzusetzen, reine Armkraft reichte nicht aus. Ich machte immer 5 Züge, dann das Sicherungsfall stramm ziehen und gleichzeitig Verschnaufpause. Wieder kam mir der Gedanke, dass das mit dem Fitnessstudio vielleicht eine gute Idee gewesen wäre.
Als ich fast nicht mehr konnte, schwebte Mathias endlich in luftiger Höhe und turnte zur Aufhängung der Genua hinüber. Dabei stieß er sich mit dem Bein vom Mast ab und schwenkte zur Genua rüber. Je nach Schiffsbewegung wurde er auch mal unsanft zurück gegen den Mast geschleudert, oder auf die andere Seite der Genua, ich konnte nicht zugucken — meine Nerven.
Schließlich konnte ich Mathias wieder runterziehen. Er konnte die Befestigung des neuen Schäkels nicht gut genug ausführen dort oben, also musste die Genua noch runtergeholt werden. Dafür gingen wir auf Vor-Wind-Kurs. Das dürfte einen komischen Schlenker in unserem Track verursacht haben. Der scheinbare Wind ist auf diesem Kur am geringsten, weil tatsächlicher Wind und Fahrtwind entgegengesetzte Richtungen haben und deshalb voneinander abgezogen werden. Es ist also an Bord relativ ruhig. Die Fock blieb draußen, um die Genua in deren Windschatten runterholen zu können. Einmal auf Deck liegend, bot es sich an, auch gleich die noch auszubessernde Bruchstelle des UV-Schutzes zu nähen. Klar, das schaffen wir auch noch.
Um 10 Uhr hatten wir angefangen, um 17 Uhr waren wir soweit, dass wieder Großsegel und Genua eingesetzt werden konnten. Es ging wieder flotter voran und wir verzogen uns nach unten, wärmten Essen auf und leckten unsere Wunden. Das wird Muskelkater geben, bei Mathias in den Oberschenkeln, bei mir in den Armen.
Der Muskelkater hielt sich in Grenzen, aber wir schliefen beide gut nach dieser Aktion. Am sechsten Tag wurde wieder um Mitternacht gerefft, da beginnt meine Wache. Der Wind hatte wieder zugenommen. Den Tag über blieb es ungemütlich, erst am Abend konnten wir die Fock durch die Genua ersetzen. Damit plus 2-fach gerefftem Groß sind wir bei 14 bis 18 Knoten Wind zwischen 7 und 9 Knoten schnell, eine angenehme Reisegeschwindigkeit für unser Boot.
Während unserer Reparaturaktion konnten wir größere Fische beobachten, die vor dem Boot umhersprangen. Thunfische? Und wieder sahen wir komische kleine Segel direkt über der Wasseroberfläche. Das sind Quallen. Sie heißen treffenderweise “Segelqualle” oder „Segler vor dem Wind“ oder „Sankt-Peters-Schifflein“.
Am siebten Tag in den Morgenstunden tauchte ein anderes Segelboot im AIS auf. Mit dem AIS im Funkgerät können wir nur die anderen Boote sehen, aber nicht selbst gesehen werden. Auch hat das Gerät unsere eigene Position nicht, rechnet also den CPA (Closest Point of Approach) nicht richtig aus, bzw. nur für den Moment, an dem wir unsere Position in das Gerät eintippen. Zudem kommt, dass der Bildschirm mini ist und dicht beieinander fahrende Schiffe nicht mehr einzeln zu erkennen sind. Ich holte mir also einen Block mit kariertem Papier und zeichnete so alle 10-20 Minuten unsere Position und die des anderen Bootes in ein Koordinatensystem ein. Da zeigte sich schnell, dass die anderen auf einer ein Tickchen weiter nördlichen Route blieben, das Überholen also kein Problem sein würde. Damit hatte ich eine Beschäftigung während der Nachtwache. Das andere Segelboot (L’Attitude) war recht klein und hat wohl mit guten 6 Knoten seine Rumpfgeschwindigkeit erreicht. Wir fuhren 7-10 Knoten schnell. Trotzdem dauerte es, bis wir an Ihnen vorbei waren. Nach Sonnenaufgang konnten wir das Boot sehen, überholt hatten wir sie erst, als ich schon meine zweite Schlafrunde begonnen hatte.
Einmal bewegte sich das andere Schiff so gut wie gar nicht. Das war eine Boje:
Mittags waren es “nur” noch 900 sm bis Horta, Halbzeit. Der Wind ließ nach, es wurden wieder die vollen Segel gesetzt. Die Fahrt verlief am Tag ereignislos mit recht konstantem Wind. Das Meer ist eher grau als blau und der Himmel meist bedeckt. Die Temperaturen im Boot liegen um die 22°. Dahin sind die türkisen Wasser der Karibik. Das Klima nähert sich dem norddeutschem an, das hatten wir uns ja so gewünscht. Da müssen wir nun durch, wir tragen wieder T-Shirt 😉
Meine Nachtwache am Morgen des achten Tages begann damit, dass um Mitternacht kurz der Motor angeschaltet wurde, weil der Wind wegblieb und wir einen tiefen Kurs fuhren. Schon 10 Minuten später blies es erneut mit 15 Knoten, das schnelle Segeln ging weiter. Aber Mathias legte sich noch nicht schlafen, weil ein großer Tanker mit 19 Knoten Geschwindigkeit von hinten heranrauschte. Ich funkte sie an (vielleicht etwas spät). Sie konnten uns nicht sehen, auch nicht auf dem Radar. Ich gab unsere Position durch und hörte dann nichts mehr von ihnen. Vielleicht hat der Tanker seinen Kurs um 1° geändert, uns war es aber zu mulmig und Mathias fuhr unter Motor von seiner Seite weiter weg. Wir konnten gut seine Lichter sehen, als er hinter uns vorbeirauschte. Dass wir auf dem Radar nicht zu erkennen waren, kann daran liegen, dass es immer mal wieder regnete, da kann es sein, dass sich unser Radarpunkt in einem Regengebiet versteckt. Nach Positionslichtern scheinen die großen Pötte keine Ausschau zu halten. Ich werde das nächste Mal eher funken. Das funktioniert normalerweise recht gut.
Wir fahren nun am vorderen Rand eines Tiefdruckgebiets, so wie es die Yachten in den Transocean-Rennen auch machen. Nur dass wir uns am äußersten Rand halten, zu viel des guten Winds soll es auch nicht sein. Alles in Maßen halt 😉 . Ein Vorteil ist, dass die See vor uns noch nicht so aufgewühlt ist, der Wind kommt erst mit uns dort an. Entsprechend ist die Wellenhöhe moderat. Wellen bremsen ein Segelboot am meisten aus und lassen selbst einen Trimaran Schieflage erlangen. An die Schiffsbewegungen haben wir uns wieder gewöhnt. Wachrhythmus und Wetter brauchen noch Gewöhnungszeit. Segeln besteht halt nicht nur aus sanftem Gleiten bei schönstem Sonnenschein.
Mathias vergnügte sich während seiner Wache damit, ein anderes Segelboot (GlenIV) einzuholen und dann zu überholen. Das lockert die Aufgaben während der Wache etwas auf.
Der neunte Tag brachte weitere Windzunahme. Gegen drei Uhr morgens weckte ich Mathias und das Großsegel bekam wieder 2 Reffs. Wir konnten etwas anluven und es ging mit 8-9 Knoten Fahrtgeschwindigkeit munter weiter. Im Laufe des Tages nahm der Wind etwas ab, wir überlegten schon, ob wir die Reffs herausnehmen sollten, verzichteten aber aufgrund des Wetterberichts darauf. Fährt man am Rande eines Tiefdruckgebiets entlang, kann es schon mal vorkommen, dass der Rand nicht so ganz glatt ist. In unserem Fall kam eine weitere Front von hinten, die einen Auswuchs nach Süden hatte, der über unseren Kurs hinwegziehen würde. Das erreichte uns am frühen Abend. Ich war noch nicht lange im Bett, als ich durch die Schiffsbewegungen wach wurde (obwohl wir mit unserem Matratzenlager in einer ruhigen Ecke liegen.) Ich stand auf und von Mathias war nichts zu sehen. Er stand draußen am Steuerstand und kämpfte mit Böen von 30 Knoten Wind*. Schnell zog ich mich an und wir setzten noch das dritte Reff in das Großsegel und tauschten die Genua gegen die Fock. Die Fockholepunkte mussten versetzt werden, ließen sich nicht per Hand bedienen, also musste Mathias mit der Zange raus. Dafür können wir über das Sonnendeck krabbeln, wo wir eine Festhalteleine bis zum Mastfuß gespannt haben. Nass wurde er dabei, denn schon den ganzen Tag herrschte Dauerregen. Regen soll ja vorkommen in Tiefdruckgebieten.
{*Für Nicht-Segler: Knoten und Windstärke (Beaufort): Kleine Exkursion in die Beaufort Skala
}
Am zehnten Tag waren die 3 Reffs plus Fock weiterhin notwendig. Bevor Mathias sich schlafen legte, fuhren wir eine q-Wende*, weil der Wind langsam drehte und wir zu weit nach Süden gekommen wären, wenn wir weiter abgefallen wären. Inzwischen hatten sich auch die Wellen aufgeschaukelt. In der Nacht bis ca. 3 m, tagsüber auch vereinzelt 4 m hoch. Es ist schwierig, sich daran zu gewöhnen, dass die eine Seite des Bootes weit hoch gehoben wird, um gleich danach wieder runterzugleiten. Wir fuhren bisher seit Bermuda auf dem Backbordrumpf, seit der q-Wende nun auf dem Steuerbordrumpf. Das bedeutet, dass ich nicht mehr in meine Sofaecke hineingedrückt werde, sondern aus ihr herauspurzeln könnte 🙁 . Jetzt wurden wir derart durchgeschüttelt, dass wir immer froh waren, wenn der Wind auf “nur” 24 Knoten runterging. Das kam einen schon wie eine Ruhephase vor. Bei diesen Bedingungen macht das Langstreckensegeln keinen Spaß, dafür bin ich nicht seebärig genug.
{*Für Nicht-Segler: Bei einer Wende oder Halse dreht man das Boot durch den Wind, so dass er danach von der anderen Seite kommt. Kommt der Wind von vorne, dreht man den Bug durch den Wind, das ist die Wende. Kommt der Wind von hinten, dreht man das Heck durch den Wind, das ist die Halse. Bei der Wende steht das Schiff kurzfristig im Wind und hat dann keinen Vortrieb, man hat also ein wenig Zeit, die Segelstellung zu wechseln. Bei der Halse bleibt das Schiff in Bewegung, die Segel und damit der Baum schlagen plötzlich und ruckartig auf die andere Seite. Dieser Umstand ist bei viel Wind und viel Welle sehr gefährlich. Stattdessen kann man eine q-Wende Fahren. Dabei fährt man einen unvollständigen Kreis, man luft an, fährt eine Wende und fällt dann auf der anderen Seite des Winds wieder ab. Der gefahrene Track sieht aus wie ein kleines q.}
Erst der elfte Tag brachte eine gewisse Beruhigung. Um 0 Uhr herrschten nur noch 18 Knoten Wind mit abnehmender Tendenz. Die Fock wurde durch die Genua ersetzt, die Reffs blieben im Großsegel. An dem Segel wollten wir im Dunkeln nicht herumbasteln. Erst als Mathias wieder wach wurde, nahmen wir die Reffs aus dem Großsegel, da war der Wind schon bei 12 Knoten angekommen. Es gab wieder Sonnenschein. Im Laufe der nächsten Nacht ließ der Wind weiter nach. Dabei brauchten wir Geschwindigkeit. Diesmal galt es, einem Flautengebiet zu entkommen.
Zwischen 0 Uhr und 6 Uhr des zwölften Tages kamen wir noch einigermaßen voran, dann blieb der Wind so gut wie aus: 3 Knoten. So kurz vor dem Ziel nur noch vor sich hinzudümpeln, gefiel uns ganz und gar nicht. Deshalb musste der Motor ran. Die armen Seefahrer früher, die diese Möglichkeit nicht hatten. Es ist schon demoralisierend, wenn sich nach dem ganzen Gekämpfe mit Wind und Wellen das Schiff plötzlich nur noch kaum bewegt. Dafür wird wieder mehr Leben sichtbar. Die kleinen Segelquallen trieben an uns vorbei und wir sahen zwei Wale neben uns schwimmen. Die kamen erst auf uns zugeschwommen, dann tauchten sie ab. Das erste Mal, dass ich selbst eine Walfluke auf Film bannen konnte. Leider waren die Wale ein ganzes Stück entfernt und trotz 4k Kamera bleibt das Bild klein. Jetzt wünscht man sich, es gäbe tatsächlich solche Systeme, wie sie in den Fernsehkrimis immer gezeigt werden. Da können die Computerexperten durch reinzoomen und Pixel rekonstruieren selbst kleinste Aufschriften im Schatten lesbar machen oder Gesichter erkennen. (Bei Columbo ging das schon bei alten Videoaufnahmen.) Nun, meine bearbeitete Aufnahme seht Ihr unten. Weiteres Reinzoomen hätte zu einem verpixelten Abbild geführt.
Weil die Fahrt nun ruhig über fast glattes Wasser verlief, widmeten wir uns Aufgaben, die in der Welle zu gefährlich sind. Mathias wollte die beschädigte Reffleine des 1.Reffs bearbeiten. Als wir diese vom Ende des Baums zu uns rüberzogen, fiel uns eine gerissene Schlaufe am Ende des Baums auf. Das sah nicht gut aus: Das ist die Schlaufe, an der das Schothorn des Segels mit dem Baum verbunden ist. Das Segel hing nur noch an einer Leine, die zum Strecken des Unterlieks dient. Überhaupt nicht gut. Schnell weiter runter mit dem Segel und das zweite Reff einbinden. Dann wird die Ecke des Segels ja durch die hintere Reffleine gehalten. Muss halt der Rest der Fahrt mit dem zweiten Reff geschehen. Das ist vielleicht auch entspannter.
Die Flaute hielt noch an. Erst beim Wachwechsel am dreizehnten Tag konnten wir wieder nur mit Segeln fahren. Dies war unser Endspurttag. Der Wind nahm langsam auf bis zu 19 Knoten zu, keine Probleme damit dank unseres Zwangsreffs.
Als wir uns den Azoren näherten, tauchten auch wieder Fischerboote ohne AIS auf. Wir würden im Dunkeln ankommen, also hielten wir gemeinsam Ausschau nach Lichtern. Den ersten Blick auf die Inseln bot der Lichtschimmer am Horizont, den man von sehr weit sehen konnte. Bald wurde es eindeutiger, dass dies die Lichter von Horta sind, dann kam der Mobifunknetzempfang. Das Einfahren und Anlegen in einem unbekannten Hafen bei Nacht wollten wir uns nicht antun. Deshalb gingen wir vor der Außenmole mit viel Welle vor Anker. Da war es Mitternacht.
Weil wir am ersten Tag mittags losgefahren sind, hat unsere Fahrt ziemlich genau 12,5 Tage gedauert. Erheblich schneller als wir vorher gedacht hatten. Unsere Kurs- und Wetterstrategien sind also aufgegangen 🙂 Wir freuen uns, sind erleichtert und klopfen uns auch ein wenig selbst auf die Schultern.
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mal zu den Azoren fahren würde. Die verband ich nur mit dem Azorenhoch, auch bei Bermuda ging es mir schon ähnlich, da fiel mir nur das Dreieck ein (und die Shorts). Jetzt hier zu sein, ist ein Abenteuer. Wir sind sehr gespannt auf die nächsten Wochen.
Dieser Beitrag hat 4 Kommentare
Endlich! Der lang erwartete Seebericht ist da. 🙂 Danke !
Dachte mir schon, dass bei der Ankunft einiges auszubessern ist und das braucht seine Zeit. Mit dem schönen Bermudanachtrag wurde die Wartezeit überbrückt.
Das Klettern in den Mast erinnert mich an die “Meuterei auf der Bounty”, mit Charles Laughton (“In den Mast mit dir !!!”). Seefahren macht schlank. Wüsste ich nicht , dass Du, Mathias, es bist, ich wäre nicht darauf gekommen.
Ich werde Dir zur Windthematik eine kleine Mail schreiben.
Jo, immer was zu reparieren!!! Aber alles gut!
Schön zu hören, dass Ihr gut bis zu den Azoren gekommen seid. Dann seid Ihr ja quasi wieder in Europa…
Und .. endlich mal ne Station, wo ich vor Euch war 🙂
Die Azoren sind immer noch unser Geheimtipp, wenn es um Reiseziele geht.
Auf Sao Miguel ist es fast wieder wie zu Hause: Holsteiner Schwarz-Bunt auf grüner Wiese…
Liebe Grüße
Ja, wir fühlen uns wieder zu Hause. Supermarkt mit bekannten Produkten und europäischen Preisen… Und die ersten schwarz-weißen Kühe haben wir auch schon gesehen. Die Azoren sind wirklich schön!
LG, Mathias